Fast jeder dritte junge Arbeitnehmer kündigt innerhalb der ersten zwölf Monate – nicht wegen Überforderung, sondern weil die Begleitung fehlt. Viele Männer rutschen in eine Führungsrolle hinein, ohne darauf vorbereitet zu sein. Plötzlich soll man Coach sein, Ratgeber, Vorbild. Aber wie geht das, ohne sich selbst zu verlieren? Der Grat zwischen Dominanz und Laissez-faire ist schmal. Wer junge Kollegen begleiten will, braucht mehr als Erfahrung. Es geht um Haltung, Kommunikation – und Mut zur Veränderung.
Führung beginnt nicht mit Lautstärke
Verantwortung zu übernehmen heißt für Männer nicht, lauter zu werden – sondern präziser hinzuhören. Irgendwann trifft es fast jeden: In der Werkstatt, im Büro oder auf der Baustelle wird der „Erfahrene“ gebeten, den Neuen einzuarbeiten. Keine Beförderung, kein Titel – nur plötzlich mehr Verantwortung. Und damit die Frage: Wie macht man das richtig? Viele Männer pendeln dann zwischen Macho-Chef und Kumpel-Kollege. Doch beides führt selten zu Respekt. Und noch seltener zu echter Entwicklung.
Ein klarer Kurs ist gefragt – kein Autoritätsgehabe. Junge Kollegen brauchen keine Kommandos im Kasernenstil, sondern Orientierung. Sie wollen Feedback, aber auch Freiräume. Nicht jeder Mann hat dafür von Natur aus das richtige Werkzeug an der Hand. Zum Glück muss man dafür kein Pädagoge werden. In der Schweiz etwa vermittelt der Berufsbildnerkurs, wie Männer mit Rückgrat und Klarheit junge Leute begleiten, ohne sich selbst zu verbiegen. Direkt, praxisnah und ohne weichgespültes Theorie-Gelaber. Genauso, wie Männer lernen wollen: kompakt, konkret, auf Augenhöhe.
Echte Wirkung entsteht leise
Manchmal verändert ein stiller Satz mehr als jedes Regelwerk. Wer sich die Zeit nimmt, richtig zuzuhören, Fragen nicht weglächelt und das „Mach einfach mal“ ernst meint, baut eine Brücke – nicht nur zum Lehrling, sondern zur echten Zusammenarbeit. Vertrauen entsteht nicht durch Titel, sondern durch Haltung. Und die zeigt sich oft in kleinen Momenten. Auch mit rauer Stimme. Auch im Blaumann. Es braucht keinen Supercoach – sondern einen Mann, der da ist, wenn’s drauf ankommt.
Ein Handwerksmeister steht nicht mehr stumm neben dem Lehrling. Stattdessen erklärt er, was er tut – knapp, verständlich, ohne erhobenen Zeigefinger. Dieser kleine Wechsel im Ton macht den Unterschied. Der junge Kollege hört nicht nur zu, sondern beginnt mitzudenken. Stellt Fragen. Schlägt Lösungen vor. Übernimmt Verantwortung, Stück für Stück.
So zeigt sich Führung heute: nicht laut, sondern klar. Nicht weich, sondern zugewandt. Keine autoritäre Pose, sondern echtes Interesse. Wer auf diese Weise anleitet, formt keine Befehlsempfänger. Sondern Persönlichkeiten.
Gibt’s den Bro-Code auch im Job?
Kollegen, die sich auf der Baustelle mit einem Nicken verständigen. Büro-Duos, die sich wortlos den Rücken freihalten. In Männerteams entsteht oft ein stiller Ehrenkodex – der berüchtigte Bro-Code. Er steht für Loyalität, Vertrauen und das unausgesprochene Versprechen: „Du gehörst dazu – ich lass dich nicht hängen.“ Klingt stark. Und funktioniert auch – solange alle auf gleicher Ebene sind.
Doch was passiert, wenn plötzlich einer die Verantwortung übernimmt? Wenn aus dem Kollegen der Vorgesetzte wird? Genau hier beginnt es zu knirschen. Der alte Kumpel soll jetzt bewerten, Ansagen machen, kritisieren. Viele Männer geraten in einen inneren Zwiespalt. Sie wollen niemanden vor den Kopf stoßen – und verlieren dabei die Klarheit, die Führung eigentlich braucht.
Klartext für beide Seiten
Ein guter Draht zu jungen Kollegen ist Gold wert – aber kein Freibrief. Wer Ausbilder ist, trägt Verantwortung. Das bedeutet, auch mal unangenehme Dinge anzusprechen. Es heißt, Grenzen setzen zu können, ohne gleich die Beziehung zu ruinieren. Und vor allem: nicht in die Kumpelfalle zu tappen, in der Nähe mit Nachsicht verwechselt wird.
Für junge Männer ist dieser Übergang oft noch schwerer. Sie wollen dazugehören, nicht belehrt werden. Doch genau deshalb brauchen sie Struktur – und einen Coach, der nicht jedes Problem weichspült. Wer auf Augenhöhe führt, macht deutlich: Hier zählt Vertrauen, aber auch Verbindlichkeit. Der Bro-Code muss mitwachsen – vom Schulterklopfen zur echten Verantwortungsgemeinschaft.
Falsches Vorbild, gutes Vorbild: Was du ausstrahlst, wird gespiegelt
Redet einer schlecht über den Chef, tun’s die anderen auch. Reißt einer ständig Witze auf Kosten anderer, lachen die Jüngeren mit – selbst wenn’s nicht passt. Was viele Männer unterschätzen: Junge Kollegen beobachten jede Geste. Ob am Werkzeug, am Rechner oder in der Mittagspause – wer vorne steht, wird nicht nur gehört, sondern genau angeschaut. Das ist keine Show. Das ist Alltag. Und damit: Vorbild.
Ob man das will oder nicht, spielt keine Rolle. Die Rolle bekommt man automatisch, wenn man Erfahrung, Autorität oder einfach nur mehr Jahre im Betrieb hat. Die Frage ist also nicht, ob man ein Vorbild ist – sondern was für eins. Wer ständig über andere lästert, pausenlos das Handy zückt oder neue Ideen im Keim erstickt, braucht sich nicht wundern, wenn der Nachwuchs mit gleicher Haltung kommt.
Vorleben, nicht vorbeten
Ein gutes Vorbild zu sein bedeutet nicht, perfekt zu sein. Es bedeutet, Haltung zu zeigen. Ehrlich zuzugeben, wenn etwas daneben ging. Mut zu machen, statt Druck aufzubauen. Und – ganz entscheidend – Freiraum zu geben. Junge Männer wollen nicht kopieren, sie wollen entdecken. Ein Coach, der alles vorgibt, nimmt ihnen die Chance dazu.
Besser: Impulse setzen. Fragen stellen. Verantwortung übergeben, statt Aufgaben durchzuorganisieren. Der Satz „Wie würdest du’s lösen?“ bringt oft mehr als jede Schritt-für-Schritt-Anleitung. Wer Vertrauen schenkt, erntet Entwicklung. Wer sich selbst reflektiert, bleibt glaubwürdig.